Berichte

Deutschlandticket als Belohnung für die Abmeldung des Fahrzeugs

In Frankfurt erhalten die Bürger als Anreiz ihr Fahrzeug abzumelden das Deutschlandticket für Fahrten mit der Bahn, wie der Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) mitteilte.

Mit Blick auf meine Erfahrungen mit der Deutschen Bahn, mutet mir dies weniger wie eine Belohnung, sondern mehr wie eine Strafe an. Auf der Strecke, die ich für den Arbeitsweg fahren muss, fahren die Züge wegen Personalmangel in einem Stellwerk seit einiger Zeit und auf unbestimmte Dauer nur noch im Notbetrieb. Die Hälfte der Verbindungen wurde gestrichen. Im Feierabend-Verkehr fährt nur noch ein Zug pro Stunde. Hinzu kommen “außerplanmäßige” Ausfälle, so dass teilweise nur noch alle zwei Stunden ein Zug fährt, der dann mitunter auch noch Verspätung hat.
Hinzu kommen außerdem immer wieder stundenlange Totalausfälle aufgrund von Selbstmorden. Natürlich erfährt man die Ursache für diese Störungen nicht von der bahn, sondern erst später hinter vorgehaltener Hand. Die Bahn hüllt sich in Schweigen und spricht lapidar von einem Notarzteinsatz. Dass der Einsatz fünf Stunden dauert und während dieser Zeit der Strom in den Oberleitungen für die polizeilichen Ermittlungen abgestellt werden muss und demnach kein Zug mehr fahren kann, erfährt man nicht. Stattdessen wird man einfach auf den nächsten Zug vertröstet, der dann aber mit immer mehr Verspätung angekündigt wird und irgendwann natürlich auch gestrichen wird. Auf dieser Basis ist jegliche Reiseplanung völlig unmöglich.
Und dann gibt es da noch die Kabeldiebe, die den Zugverkehr auch mal für einen ganzen Tag lahm legen bis die Schäden wieder repariert wurden.
In meinem Fall kommt noch hinzu, dass es von meinem Arbeitsort am Hauptbahnhof zwar einen Fußgängertunnel unter den Gleisen hindurch zu den Bahnsteigen gibt, so dass ich eine relativ gute Anbindung an den Hauptbahnhof hätte. Dieser Tunnel ist aber leider renovierungsbedürftig und daher gesperrt. Zu Fuß ist der wenige Gehminuten entfernte Bahnhof somit nur über sehr große und mühsame Umwege erreichbar, so dass es besser ist, in einem Vorort zu laufen und dort mit dem Zug weiterzufahren. Leider halten in den kleinen Bahnhöfen einige Züge nicht, so dass die Anbindung besonders schlecht ist.
Noch nicht erwähnt wurden die üblichen Verspätungen bei fast jeder Fahrt, die sich mit der Zeit auch aufsummieren.

Wenn man auf ein eigenes Fahrzeug verzichten möchte und ganz auf öffentliche Verkehrsmittel setzt, ist auch zu bedenken, dass man beim Transport von Gegenständen deutlich eingeschränkt ist. Fahrräder können beispielsweise nicht immer einfach mitgenommen werden. Es gibt Einschränkungen und gegebenenfalls muss hierfür zusätzlich bezahlt werden. Auch der Einkauf von schweren Baumaterialien im nächsten Baumarkt kann mit der Bahn kaum transportiert werden. Hierfür müsste man dann doch wieder Fahrzeuge leihen. Ebenso können Haustiere nur unter Auflagen und je nach Größe nur gegen Aufpreis mitgenommen werden und wenn man mit dem Haustier nachts in eine Tierklinik fahren muss, wird üblicherweise keine geeignete Bahnverbindung zur Verfügung stehen sofern überhaupt ein Bahnhof in der Nähe der Klinik ist.

Die Bahn ist in vielen Fällen keine geeignete Alternative zu einem eigenen Fahrzeug, da sie überhaupt nicht darauf ausgelegt sein kann, die speziellen Anforderungen zu erfüllen. Wer mit wenig Gepäck reist und nur von einem Ort zu einem anderen Ort gelangen will, kann unter bestimmten Umständen mit der Bahn gut bedient sein. Aufgrund der Einschränkungen auf den Nahverkehr ist das Deutschlandticket für große Entfernungen eher ungeeignet. Vermutlich werden also eher nur diejenigen auf ein eigenes Fahrzeug verzichten und das Deutschlandticket als Belohnung mitnehmen, die nur kurze Entfernungen in einem Gebiet zurücklegen müssen, in denen der Nahverkehr einigermaßen gut ausgebaut ist. Damit liefern sie sich aber natürlich den Verkehrsbetrieben aus und stehen vielleicht plötzlich von einem Tag auf den anderen ohne Verkehrsanbindung da, wenn das Verkehrsunternehmen die Verbindungen plötzlich streicht. Da hilft dann auch ein Deutschlandticket nichts.

In Anbetracht des desolaten Zustandes des Bahnnetzes ist eine riskante Entscheidung, auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten und sich auf die Bahn zu verlassen. Die Bahn ist selbst mit der grundlegendsten Aufgabe überfordert, die arbeitenden Menschen zuverlässig und pünktlich morgens an den Arbeitsort und abends wieder zurück zu bringen. Menschen im Schichtdienst sind sowieso weitgehend vom öffentlichen Nahverkehr ausgeschlossen, da in der Nacht üblicherweise keine Züge fahren.
Sollte die “Verkehrswende” ernst gemeint sein, dann reicht es nicht, ein paar Bahntickets zu verteilen. Die Bahn müsste ein verlässliches Verkehrsmittel sein, das bei Wind und Wetter pünktlich zu guten Konditionen fährt. Ein Bahnticket sollte zudem auch für spontane Fahrten günstig zu erwerben sein und nicht nur, wenn man 8 Monate im Voraus verbindlich eine Fahrt bucht.
Leider wird schon seit vielen Jahren nichteinmal mehr die vorhandene Infrastruktur soweit gewartet, dass sie zuverlässig zur Verfügung steht oder überhaupt noch nutzbar ist. Von einem Ausbau der Infrastruktur kann keine Rede sein. Die Bahn ist somit nur in wenigen Sonderfällen das geeignete Verkehrsmittel und dann ist sie auch noch unzuverlässig, unpünktlich, unsauber und je nach Mitreisenden unsicher.
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